Übersicht
Alle Länder, welche in dunkelrot eingefärbt sind, werden in mindestens vier der acht Kriterien als "kritisch" eingestuft. Alle Länder, die in hellrot eingefärbt sind, werden in mindestens einem der acht Kriterien als "kritisch" eingestuft.
Waffenembargos und andere internationale Verpflichtungen
Das erste Kriterium überprüft, ob das Land entweder einem Waffenembargo der Vereinten Nationen, der Europäischen Union oder der OSZE unterliegt und unterscheidet zwischen Sanktionen gegen ganze Staaten und Sanktionen gegen nichtstaatliche Akteure innerhalb eines bestimmten Staates. Diese Information ist für das erste Kriterium des Gemeinsamen Standpunkts der Europäischen Union relevant. Je nach Art des verhängten Embargos wird das Land als ‚kritisch‘ (Waffenembargo gegen den gesamten Staat) oder als ‚möglicherweise kritisch‘ (Waffenembargo gegen nichtstaatliche Akteure) eingestuft. Wenn kein Waffenembargo besteht, wird das Land abhängig von den Ergebnissen zusätzlicher Bewertungsindikatoren als ‚nicht kritisch‘ eingestuft.
Der User‘s Guide des Gemeinsamen Standpunkts fordert die Mitgliedstaaten ausdrücklich auf zu prüfen, ob ein Empfängerstaat den Nichtverbreitungsvertrag, das Übereinkommen über biologische und Toxinwaffen, das Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ), den Haager Verhaltenskodex und den internationalen Waffenhandelsvertrag ratifiziert hat. Wenn ein Land weniger als drei dieser Nichtverbreitungsverträge ratifiziert hat, wird er als ‚möglicherweise kritisch‘ eingestuft.
Einhaltung von Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht
Dieses Kriterium entspricht dem zweiten Kriterium des Gemeinsamen Standpunkts der Europäischen Union und bewertet die allgemeine Einhaltung international anerkannter Standards der Menschenrechte und des internationalen Völkerrechts durch ein Land. Zu diesem Zweck berücksichtigt die Datenbank zunächst die Ratifizierungsbilanz eines Landes in Bezug auf internationale Konventionen zu Menschen- und Völkerrechten, wie zum Beispiel das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe oder das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs.
Zweitens berücksichtigt die Datenbank eine Auswahl von zusammengestellten Menschenrechtsindexen, die jährlich von internationalen Organisationen, Nichtregierungsorganisationen und Universitätsinstituten veröffentlicht werden. Dazu gehört der Mitspracherecht und Verantwortlichkeits- und der Rechtsstaatlichkeitsindex der Weltbank, der Freedom House Index über politische Rechte und zivilgesellschaftliche Freiheiten sowie das Ausmaß an staatlicher Unterdrückung und militärischer Einmischung in die Rechtsstaatlichkeit und politische Prozesse, gemessen im Datensatz über wirtschaftliche Freiheit in der Welt (EFW) des Fraser Institute.
Drittens überprüft die Datenbank auf der Grundlage des Datensatzes über Einseitige Gewalt des Uppsala Conflict Data Programms (UCDP) ob die Regierung eines Landes in den letzten fünf Jahren einseitig Gewalt gegen Zivilisten ausgeübt hat. Abhängig von seiner Mitgliedschaft in wichtigen internationale Konventionen zu Menschen- und Völkerrechten und der Gesamtbewertung in den verschiedenen menschenrechtsbezogenen Indizes, wird jedes Land als entweder ‚kritisch‘, ‚möglicherweise kritisch‘ oder ‚nicht kritisch‘ eingestuft. Dabei bedeutet ‚kritisch‘, dass es in einem Land gravierende Probleme mit Menschenrechten gibt, während ‚möglicherweise kritisch‘ darauf hinweist, dass zumindest eine gewisse Besorgnis besteht was Menschenrechtsfragen betrifft. Wenn die Regierung in den letzten fünf Jahren einseitige Gewalt gegen Zivilisten angewendet hat, wird das Land als ‚kritisch‘ eingestuft.
Innerstaatliche Konflikte
Dieses Kriterium entspricht dem dritten Kriterium des Gemeinsamen Standpunkts der Europäischen Union. Um den Grad an gewaltsamen Konflikten im Empfängerstaat zu bewerten, werden Daten zu internen bewaffneten Konflikten des Uppsala Conflict Data Program (UCDP) sowie verschiedene Indikatoren für politische Stabilität und fragiler Staatlichkeit, wie der Index über politische Stabilität und Gewaltfreiheit (Political Stability and Absence of Violence/Terrorism Index) der Governance Indicatoren der Weltbank, über Konstellationen fragiler Staatlichkeit (Constellations of State Fragility Index) des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) und das Coup d' Etat Dataset von Jonathan Powell und Clayton Thyne herangezogen. Während eine Ländereinstufung von "kritisch" auf eine häufige und organisierte Gewaltanwendung innerhalb des Empfängerstaates selbst hinweist, kann "möglicherweise kritisch" auch auf einen Zustand interner oder regionaler politischer Instabilität und/oder sporadischer Gewalt hinweisen.
Aufrechterhaltung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in einer Region
Der vierte in der BICC-Datenbank betrachtete Bereich entspricht dem vierten Kriterium im Gemeinsamen Standpunkt der Europäischen Union. Um den Grad der gewaltsamen Konflikte in der Region zu bewerten, werden insbesondere die vom Uppsala Conflict Data Program (UCDP) veröffentlichten Daten zu bewaffneten Konflikten herangezogen, aber auch Indikatoren wie das Auftreten eines Staatsstreichs oder die militärische Einmischung in den politischen Prozess, wie sie vom Datensatz des Fraser-Instituts zur wirtschaftlichen Freiheit der Welt (EFW) gemessen werden.
Dabei ist zu beachten, dass eine Einstufung als "möglicherweise kritisch" auf einen Zustand innerer Instabilität, gewaltsame Konflikte in der Region oder vergangene gewaltsame Konflikte hindeuten kann, ein Land aber nur dann nach diesem Kriterium als "kritisch" eingestuft wird, wenn es Partei in einem laufenden internationalen bewaffneten Konflikt ist (laut UCDP-Daten). Dies schließt zwar die Beteiligung an militärischen Interventionen als sekundäre Konfliktpartei ein, schließt jedoch militärische Interventionen aus, welche durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen legitimiert sind, zum Beispiel UN-Friedensmissionen.
Präsenz von verbündeten Streitkräften in fragilen Umgebungen
Dieses Kriterium bezieht sich auf das fünfte Kriterium des Gemeinsamen Standpunkts der Europäischen Union, welches darauf abzielt, Waffenexporte zu verhindern, die die nationale Sicherheit eines EU-Mitgliedsstaates, eines Verbündeten oder eines befreundeten Landes beeinträchtigen würden. Dies bleibt jedoch eine hochsensible und im Wesentlichen politische Entscheidung, welche die BICC-Datenbank nicht abbilden kann. Daher beschränkt sich die Datenbank darauf, Informationen über die Anwesenheit von EU/NATO-Streitkräften oder von UN-Friedenstruppen im Empfängerland oder in Nachbarländern zu liefern und kombiniert diese mit Daten über die Fragilität des Staates und Korruption im Verteidigungssektor. Wenn solche Truppen anwesend sind und das Niveau der fragilen Staatlichkeit und/oder der Korruption im Verteidigungssektor sehr hoch ist, wird das Land als "kritisch" eingestuft, da die Gefahr besteht, dass die transferierten Waffen in die Hände von Gruppen gelangen, die eine Sicherheitsbedrohung für die verbündeten Streitkräfte darstellen. Wenn verbündete Truppen anwesend sind und das Niveau der fragilen Staatlichkeit und/oder der Korruption im Verteidigungssektor hoch ist, wird das Land als "möglicherweise kritisch" eingestuft.
Mitgliedschaft in internationalen Konventionen
Dieses Maß ist von direkter Bedeutung für Kriterium sechs im Gemeinsamen Standpunkt der EU. Es prüft, inwieweit ein Land eine Reihe ausgewählter internationaler Konventionen zu den Themen humanitäres Völkerrecht, Rüstungskontrolle, Terrorismus und transnationale organisierte Kriminalität ratifiziert hat. Für jedes untersuchte Land bietet die Website aktuelle Informationen darüber, ob alle der insgesamt 29 internationalen Konventionen und Verträge ratifiziert wurden oder nicht.
Ein Land wird als "möglicherweise kritisch" eingestuft, wenn seine Ratifizierungsbilanz zumindest problematisch ist. Dies ist der Fall, wenn das Land weniger als 23 von 29 Konventionen oder weniger als 8 von 10 besonders relevanten Konventionen ratifiziert hat. Ein Land wird als "kritisch" eingestuft, wenn es weniger als 18 von 29 Konventionen oder weniger als 6 von 10 besonders relevanten Konventionen ratifiziert hat.
Rüstungsexportkontrollen und Transparenz
In Kriterium sieben des Gemeinsamen Standpunkts der Europäischen Union wird abgefragt, ob die Gefahr der Abzweigung von Militärtechnologie oder Militärgütern im Käuferland oder der Wiederausfuhr von Militärgütern unter unerwünschten Bedingungen besteht. Bei der Bewertung wird auf die Mitgliedschaft in den beiden zentralen internationalen Regimen zur Kontrolle des Transfers konventioneller Waffen, dem ATT und dem Wassenaar-Abkommen, besonders Wert gelegt. Ist ein Staat weder Mitglied des ATT noch des Wassenaar-Abkommens, wird er als "kritisch" eingestuft.
Die Datenbank enthält auch Informationen über den Grad der Transparenz in Bezug auf den Transfer von Kleinwaffen (mittels des Small Arms Trade Transparency Barometers) und über Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung im Verteidigungssektor (mittels des Government Defence Anti-Corruption Indexes). Dem liegt die Annahme zugrunde, dass ein hohes Maß an Intransparenz und Korruption die illegale Weitergabe von Waffen erleichtert. Wenn ein Land in Bezug auf diese beiden Indikatoren sehr schlecht abschneidet, wird es ebenfalls als "kritisch" eingestuft. Entsprechend wird das Land als "möglicherweise kritisch" eingestuft, wenn es hier schlecht abschneidet.
Zur Unterstützung der Risikobewertung in Bezug auf Weitergabe liefert die Datenbank schließlich Informationen über das Rüstungsexportkontrollregime eines Empfängerlandes. Es wird abgefragt, ob nationale Ausfuhrkontrollen, Vermittlungsvorschriften und Durchsetzungsmaßnahmen vorhanden sind, ob Maßnahmen ergriffen werden, um das Risiko einer Abzweigung zu mindern, und ob ein Staat über seine Waffentransfers an das UN-Register für konventionelle Waffen und das Meldesystem des Waffenhandelsabkommens (ATT) berichtet. Die Quelle für diese Daten ist die National Transfer Control Database des Arms Trade Treaty Baseline Assessment Project (BAP). Wenn ein Land nach diesen Daten nur wenige nationale Waffentransferkontrollen eingerichtet hat, wird es als "möglicherweise kritisch" eingestuft.
Gefahr der Beeinträchtigung der Entwicklung durch unverhältnismäßige militärische Kapazitäten
Kriterium acht des Gemeinsamen Standpunkts der Europäischen Union bezieht sich auf das Risiko, dass der geplante Waffenausfuhr die nachhaltige Entwicklung des Empfängerlandes beeinträchtigen könnte. Um eine solche Beurteilung zu ermöglichen, prüft die Datenbank, ob ein Land einen niedrigen Standard menschlicher Entwicklung nach UNDP-Kriterien aufweist und gleichzeitig stark in sein Militär investiert. Dazu stützt sich die Datenbank stark auf den Globalen Militarisierungsindex des BICC (GMI), der das relative Gewicht des Militärapparats eines Staates im Verhältnis zur Gesamtgesellschaft abbildet. Der GMI betrachtet das Verhältnis der Militärausgaben eines Staates zu seinem Bruttoinlandsprodukt (BIP) und seinen Gesundheitsausgaben; das militärische und paramilitärische Personal im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung und zu den Ärzten; und die Anzahl der schweren Waffen im Verhältnis zur Bevölkerung.
Länder werden als "kritisch" oder "möglicherweise kritisch" eingestuft, wenn sie einen niedrigen Standard der menschlichen Entwicklung und gleichzeitig relativ hohe militärische zu nicht-militärischen Kapazitäten besitzen. Die Daten stammen aus verschiedenen Quellen, u. a. vom Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI, dem International Institute for Strategic Studies (IISS) sowie von der Weltgesundheitsorganisation, dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank.
Deutsche Kriegswaffenexporte in € im Jahr
Rüstungsexportgenehmigungen aus Deutschland in € im Jahr
GMI Rang 2023
Der vom BICC erstellte Globale Militarisierungsindex (GMI) stellt jährlich das relative Gewicht und die Bedeutung des Militärapparats eines Landes im Verhältnis zur Gesamtgesellschaft dar.